Viel mehr Klienten mit Krankenkassen- und Steuerschulden
Auch die gesamte Verschuldung wächst
2015 hatten deutlich mehr Klientinnen und Klienten der Berner Schuldenberatung Schulden bei der Krankenkasse (57,8 Prozent gegenüber 47,0 Prozent im Jahr 2014). Und sie hatten höhere Schulden: Wenn ein Haushalt bei der Krankenkasse in der Kreide stand, belief sich die Schuld im Durchschnitt auf 10‘307 Franken. 2014 waren es noch 8‘498 Franken gewesen.(1)
Auch der Anteil der Haushalte mit Steuerschulden ist (auf hohem Niveau) von 77,5 Prozent auf 85,6 Prozent angestiegen. Wenn man bedenkt, dass viele ausländische KlientInnen keine Steuerschulden aufbauen können, weil sie an der Quelle besteuert werden, muss man sagen: Viel mehr geht nicht; der Plafond ist wahrscheinlich erreicht.
Drastisch angestiegen ist auch die durchschnittliche Verschuldung der Haushalte: von 68'384 auf 78'316 Franken.
Tragen die Krankenkassen und die Steuerverwaltung die Folgen der Kürzung der Prämienverbilligungen?
Der Anstieg der Krankenkassenschulden und in seinem Gefolge auch der Anstieg der Steuerschulden dürfte damit zusammenhängen, dass bei den Sparmassnahmen im Jahr 2013 die Prämienverbilligungen reduziert worden sind. Dies trifft überschuldete Haushalte, die ohnehin oft mit steigenden Krankenkassenprämien zu kämpfen haben, besonders hart. Die Kürzung dürfte auch dazu beigetragen haben, dass noch mehr Klientinnen und Klienten Steuerschulden haben. Wenn die finanziellen Verpflichtungen die Leistungsfähigkeit eines Haushalts übersteigen, gerät regelmässig die Forderung des Fiskus aus dem Gesichtsfeld.
Bund-Interview vom 14.02.2016: «Ohne Verbilligung wäre es schlimmer»
Der «Bund» hat zum Thema «Prämienverbilligung» ein Interview mit Mario Roncoroni von der Berner Schuldenberatung gemacht (Der Bund vom 14.02.2016):
Herr Roncoroni, Sie beraten Personen mit Schulden. Welchen Anteil haben die Krankenkassenprämien?
Beinahe jeder zweite, der unsere Schuldenberatungsstelle aufsucht, hat Schulden bei der Krankenkasse. Diese Zahl ist in den letzten Jahren stark gestiegen. 1995 waren es noch 17,5 Prozent. Doch nun folgen die Krankenkassen auf der Schuldenrangliste gleich nach den Steuern.
Die Verbilligungen vermögen die steigenden Prämien also nicht zu kompensieren?
Ohne Verbilligungen wäre die Situation noch schlimmer. Zu unseren Kunden gehören vornehmlich einkommensschwache Personen. Ohne die Prämienverbilligungen wäre bei den meisten an eine Sanierung der Schulden nicht zu denken.
Der Kanton spart aufgrund der schwierigen Finanzlage bei den Prämienverbilligungen. Spüren Sie das bereits bei den Beratungen?
Eine generelle Aussage zu machen, ist schwierig. In Einzelfällen ist die Veränderung für die Klienten aber heftig. Einem unserer Klienten etwa wurde im Zuge der Sparmassnahmen die ganze Verbilligung gestrichen. Er bezahlt nun für seine fünfköpfige Familie jährlich über 15'000 Franken für die Krankenkassenprämien. Das sind rund 20 Prozent vom Nettoeinkommen der Familie. Zuvor hat die Familie immerhin etwas mehr als 6000 Franken pro Jahr an Prämienverbilligungen erhalten. Die Familie muss nun pro Monat zusätzlich 500 Franken einsparen.
Was sind die Folgen?
An eine Sanierung der Schulden ist vorläufig nicht zu denken. Vielleicht muss sich die Familie an die Sozialhilfe wenden. Besserung ist erst in Sicht, wenn mindestens eines der Kinder auszieht.
Auf was muss diese Familie nun konkret verzichten?
Das Budget lässt sich mit Sicherheit nicht ins Gleichgewicht bringen. Wenn ein Auto da wäre, müsste die Familie darauf verzichten. Man wird schauen müssen, dass die wichtigsten Posten bezahlt werden, vor allem Miete und Krankenkasse. Es ist zu befürchten, dass die Steuern nicht mehr bedient werden können. Das Geld reicht nur noch für das Allernötigste.
Auch wenn es in Einzelfällen schwerwiegende Folgen hat: Der Kanton muss sparen. Die Ärmsten profitieren weiterhin von der Unterstützung.
Das mag stimmen. Bei den Prämienverbilligungen handelt es sich aber nicht um Almosen. Sie wurden eingeführt, um den unsozialen Charakter der Mehrwertsteuer auszugleichen. Da die Mehrwertsteuer dazu führt, dass Einkommensschwache im Verhältnis stärker als Gutverdienende belastet werden, wollte man einen Teil der Einnahmen wieder an die einkommensschwächere Bevölkerungsgruppe zurückführen.
Das heisst, Sie stellen sich gegen die geplanten Kürzungen?*
Ich bin kein Politiker. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich sagen: Weg von den Kopfprämien, hin zu einkommensabhängigen Krankenkassenprämien.
* Das Berner Stimmvolk hat am 28. Februar 2016 eine weiter gehende Kürzung der Prämienverbilligungen abgelehnt.
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(1) Vgl Jahresberichte 2015 und 2014 der Berner Schuldenberatung.