Alle Jahre wieder: PR-Aktion der Intrum Justitia

Verschuldungsradar liefert Zerrbild

Alle Jahre wieder publiziert die Intrum Justitia statistische Daten über den angeblichen Stand der Verschuldung in der Schweiz. Alle Jahre wieder dienen die Medien als Resonanzboden für die Marketingaktion des Marktleaders unter den Inkassobüros. Sie verbreiten mehr oder weniger ungefiltert die Scheinwahrheiten, welche ihnen das Inkassobüro in stylischer Aufmachung serviert.

Einige der Blüten, die nach kritischen Rückfragen verlangt hätten:

  • Die 25- bis 29-Jährigen sollen dem höchsten Verschuldungsrisiko ausgesetzt sein.
  • Wer in Freiburg wohnt, soll besonders gefährdet sein, in die Schulden zu geraten, ZürcherInnen hingegen sollen von einem stark unterdurchschnittlichen Verschuldungsrisiko profitieren.
  • „Lateinische Prägung birgt über alle Altersgruppen hinweg ein höheres Risiko, in der Schuldenspirale hängen zu bleiben.“ Glücklich, wer Müller oder Meier heisst!

Grassierende Jugendverschuldung? Peanuts!

Die statistischen Erkenntnisse, die hier serviert werden, halten keiner kritischen Rückfrage stand. Als wichtigste Verschuldungsfaktoren für die jungen Leute macht die Intrum Justitia Rechnungen für Arztbesuche, Handys und Onlineversandhandel aus. „Die Gruppe der 25- bis 29-Jährigen weist das mit Abstand grösste und am stärksten zunehmende Verschuldungsrisiko auf“, betet der Tagesanzeiger online am 12. August 2014 unter dem Titel „Generation Schuldenmacher“ die Propaganda der Intrum Justitia nach. Die Altersgruppe soll laut Intrum Justitia durchschnittlich 330 Franken Schulden haben. Tant de bruit pour une omelette! Die Durchschnittsverschuldung der Klientinnen und Klienten der Berner Schuldenberatung war 2013 mehr als 200-mal so hoch, wie ein Blick in den Jahresbericht 2013 zeigt: 70‘663 Franken.

Die Intrum Justitia schafft einen grossen Teil der Verschuldung selber...

Kaum ein Medium hat Zeit gehabt, qualifiziert zurückzufragen. Es würde zum Beispiel interessieren, wie viel die Intrum Justitia selber an die Verschuldung ihrer Klientel beiträgt, wie hoch mit andern Worten der Anteil der Zuschläge ist, mit denen die Intrum Justitia ihre Forderungen aufbläht: «Verzugsschaden», «Teilzahlungszuschläge», «Rechtsberaterkosten» usw. Die Intrum Justitia leistet mit Sicherheit einen substantiellen Beitrag an den Missstand, den sie beklagt. Die Zuschläge können ohne weiteres höher sein als die ursprüngliche Forderung.

...mit gesetzeswidrigen Zuschlägen

Weiter hätte man gerne vernommen, wie viele der SchuldnerInnen erkennen, dass die Zuschläge gesetzeswidrig sind. Art. 27 Abs. 3 SchKG sagt klar, dass die Kosten des Inkassobüros nicht auf den Schuldner überwälzt werden dürfen. Wer die Zuschläge nicht bezahlt, gehört wohl zu den jungen Leuten, welche sich nicht aus der Verschuldungsspirale befreien können, denn die Zuschläge wachsen mit jedem computergenerierten Brief weiter an, den die Intrum Justitia ihren bedauernswerten Opfern periodisch schickt.

Massive Beschränkungen des Gesichtsfelds!

Steuerrechnungen, bei den seriösen Schuldenberatungsstellen mit Abstand die verbreitetsten offenen Forderungen, kommen bei der Intrum Justitia nicht vor. Krankenkassenrechnungen ebensowenig. Aus einem einfachen Grund: Die Intrum bekommt von diesen Gläubigern keine Inkassoaufträge. „Was wir in unseren Dossiers nicht antreffen, gibt es nicht,“ lautet die unausgesprochene Devise des Inkassobüros. „Das hindert uns nicht daran, stylisch aufgemachte Scheinwahrheiten zu verbreiten.“

Diametraler Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen!

Die Intrum Justitia setzt sich in diametralen Widerspruch zur Wissenschaft. Caroline Henchoz und Boris Wernli fassen die Ergebnisse ihrer repräsentativen Untersuchung über die Verschuldung junger Erwachsener folgendermassen zusammen: "Auch wenn die Jungen einen anderen Konsumstil - vor allem bezüglich der Restaurantbesuche und dem Autobesitz - pflegen, erweisen sie sich als ebenso fähig wie die ältere Bevölkerung, ihre finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, und vermögen auch zu sparen. Nur wenige tätigen ihre Anschaffungen auf Kredit, und wenn, dann sind es in der Regel Berufstätige mit einem genügend hohen Einkommen, um die Rückzahlung leisten zu können."*

12 Prozent Verzugszins - zur Verbesserung der Zahlungsmoral oder zur schnelleren Füllung der Kasse?

Die Intrum Justitia fordert eine Anhebung des Verzugszinses von 5 auf 12 Prozent. Angeblich geht es ihr dabei um eine Verbesserung der Zahlungsmoral. Was weder die Intrum Justitia noch die Medien thematisieren: Wird der Verzugszins erhöht, füllen sich die Konten der Inkassobüros schneller.

 

 

 

Mehr zu den Inkassobüros

* Der Artikel von Caroline Henchoz und Boris Wernli “Ist die Jugendverschuldung in der Schweiz höher als jene der Erwachsenen?“ kann hier heruntergeladen werden.

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