Corona: Selbständige in den roten Zahlen

von Olivia Nyffeler

Die Berner Schuldenberatung rechnet damit, dass viele Selbständige wegen der Coronakrise in finanzielle Engpässe geraten und besonders bei Einzelunternehmen der Bedarf an einer Schuldenberatung in nächster Zeit massiv ansteigen dürfte. Nachfolgende Inputs und Anregungen sollen Selbständigen bei der Stabilisierung ihrer finanziellen Situation weiterhelfen.

Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer kann mittlerweile ohne zu zögern auf die Frage antworten, wie gross das Loch ist, welches das Coronavirus in die Geschäftskasse reisst. Das Schlimme ist, dass völlig unklar ist, wann wieder Normalität einkehrt – und ob überhaupt. Nach wie vor hat das Coronavirus unseren Alltag fest im Griff. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer beklagen deshalb gerade vor allem eins: rote Zahlen in der Buchhaltung und kein Ende in Sicht.

Zwar hat der Bundesrat im Rahmen der Massnahmenpakete zur Bekämpfung des Coronavirus auch für Selbständige gewisse Taggelder vorgesehen, gerade junge Unternehmungen, die noch keine grossen Reserven haben bilden können, geraten trotzdem in eine finanzielle Schieflage. Diese Selbständigen kämpfen darum, dass es ihr Unternehmen nach der Corona-Krise noch gibt. Heute schon müssen sie sich fragen, ob sie sich Privatbezüge auszahlen können, um Ende Monat ihre privaten Rechnungen zu begleichen.

Das Problem: Vieles ist unklar – vieles ändert sich ständig

Nach wie vor herrscht viel Unsicherheit und Unklarheit darüber, was man noch darf und was man nicht mehr darf. Seit die Lockerungsmassnahmen eingeleitet worden sind, muss man sich fast täglich vergewissern, ob heute noch stimmt, was gestern wahr war.

Die Lösung

Es gibt nichts anderes: Man muss auf dem Laufenden bleiben. Einen guten Überblick über die Rechtslage gibt die Website legalis.ch, welche regelmässig aktualisiert wird. Auch viele Berufsverbände, wie z.B. der Verband der Schweizer Coiffeurgeschäfte, informieren ihre Mitglieder. Ein Blick auf die Homepage des jeweiligen Berufsverbandes lohnt sich also.

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Das Problem: Der Lohn der Angestellten und die Liquidität des Betriebes stehen auf dem Spiel

Einige Selbständige sind vom Lockdown direkt betroffen. Sie mussten ihren Betrieb schliessen, z.B. Coiffeursalons. Andere sind indirekt betroffen. Ihr Betrieb ist zwar nicht geschlossen worden, sie müssen aber feststellen, dass die Kundinnen und Kunden ausbleiben. Sie müssen sich deshalb fragen, wie sie über die Runde kommen und wie sie die Löhne ihrer Angestellten und die Rechnungen der Gläubiger bezahlen können.

Die Lösung

Abklären, ob für die Angestellten Kurzarbeitsentschädigung beantragt werden kann.

Um die Liquidität des Betriebes zu sichern, steht die Möglichkeit offen, bei der Hausbank einen Überbrückungskredit aufzunehmen, für welchen der Bund bürgt. Ob die Aufnahme eines Überbrückungskredits sinnvoll ist, sollte mit einer Fachperson besprochen und genau analysiert werden.

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Das Problem: Das eigene Einkommen ist in Frage gestellt

Für viele Selbständige bedeutet die momentane Krisensituation auch: Ungewissheit darüber, ob sie sich für ihre privaten Bedürfnisse Geld aus dem Betrieb abziehen dürfen. Diese Situation ist stressig und macht Angst. Der Bundesrat hat zwar auch an die Selbständigen gedacht und Entschädigungen für Lohnausfälle vorgesehen. Die Taggelder stopfen die Löcher aber nicht unbedingt ganz. Viele Kreditinstitute wittern deshalb jetzt die grosse Chance. Grossflächig verschicken sie Briefe und werben in den sozialen Medien und auf Plakaten im öffentlichen Raum mit Kleinkrediten. Sie versprechen die schnelle Lösung bei finanziellen Schwierigkeiten in der Coronakrise. Obschon diese Angebote eine rasche Hilfe versprechen – Finger weg! Bei der Vergabe von Kleinkrediten wird die Kreditfähigkeit leider viel zu oft ungenügend abgeklärt. Schlussendlich wird oft ein Kleinkredit vergeben, der längerfristig eigentlich gar nicht zurückbezahlt werden kann. Zudem werden Kleinkredite mit hohen Zinsen vergeben. Das alles belastet das Budget zusätzlich und schädigt längerfristig finanziell angeschlagene Selbständige noch deutlich mehr.

Die Lösung

Es muss unbedingt abgeklärt werden, ob gestützt auf das Massnahmenpaket des Bundesrats zur Bekämpfung des Coronavirus ein Anspruch auf eine «Corona-Erwerbsentschädigung» besteht. Dabei spielt es eine Rolle, ob man «direkt betroffen» ist oder bloss «indirekt»:

  • Direkt betroffen sind die Selbständigen, die kein Einkommen erzielen können, weil ihr Betrieb geschlossen worden ist. Sie können ohne weiteres gestützt auf die Corona-Verordnung 2 Taggelder beziehen.
  • «Indirekt betroffen» sind die Selbständigen, deren Betrieb nicht geschlossen wurde, die aber wegen der Coronakrise in eine finanzielle Notlage geraten sind. Sie haben Anspruch auf eine Erwerbsentschädigung, wenn sie eine zusätzliche Bedingung erfüllen: Ihr AHV-pflichtiges Einkommen lag 2019 zwischen 10'000 und 90'000 Franken.

Sofern kein Anspruch darauf besteht, ist es längerfristig betrachtet sinnvoller und nachhaltiger, im Familien- und Freundeskreis um ein zinsloses Darlehen zu bitten. Auch hier empfiehlt es sich, zuvor mit einer Fachperson abzuklären, wie die Aussichten auf Gesundung der Betriebsfinanzen beurteilt werden müssen.

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Das Problem: Die Geschäftsmiete reisst ein Loch in die Kasse

Geschäftsmieten machen oft einen der grössten Ausgabeposten aus. Der Bundesrat hat zwar mittels Verordnung die Frist bei Zahlungsrückständen für die April- und Maimiete von Wohn- und Geschäftsräumen von 30 auf 90 Tagen verlängert. Jedoch sieht die Verordnung keinen Erlass dieser Mieten vor. Unter Juristen und in den Kommissionen des Bundesparlaments wird derzeit aber rege diskutiert, ob und wenn ja in welcher Höhe die Geschäftsmieten noch geschuldet sind, wenn das Geschäft wegen dem Coronavirus schliessen musste. Der Mieterverband ist klar der Auffassung, dass diesfalls ein Mangel an der Mietsache besteht und deshalb ein Anspruch auf Mietzinsreduktion oder gar auf Mietzinserlass geltend gemacht werden kann. Diese Auffassung kann sich natürlich nicht auf eine bestehende Gerichtspraxis stützen. Noch besteht das Risiko, dass die Geschäftsmiete voll geschuldet ist. Der Mangel muss gegenüber der Vermieterschaft angezeigt und eine Mietzinsreduktion oder gar ein Mieterlass geltend gemacht werden. Sofern die Miete gleichwohl bezahlt werden könnte (z.B. aus Reserven), empfiehlt der Mieterverband die pünktliche Zahlung der Mieten unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass der Mietzins zur Vermeidung einer Zahlungsverzugskündigung bezahlt und eine Rückforderung ausdrücklich vorbehalten wird. Der Mieterverband zeigt das rechtlich korrekte Vorgehen für die Geltendmachung eines Mietzinserlasses oder einer Mietzinsreduktion Schritt für Schritt auf und stellt Musterbriefe zur Verfügung.

Die Lösung

Mit dem Vermieter verhandeln und einen Mietzinserlass oder eine Mietzinsreduktion aushandeln. Der Vermieter hat ein Interesse daran, dass die Geschäftsräumlichkeiten nicht gekündigt und allenfalls über länger Zeit leer stehen.

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Das Problem: Das Unternehmen kann nach der Krise nicht den gesamten Schuldenberg abtragen

Wenn sich nach der Krise zeigt, dass das Unternehmen an sich mittelfristig rentieren würde, wenn nur die aufgelaufenen Coronaschulden nicht wären, bietet sich unter Umständen die neue «Covid-19-Stundung» an. Ausserdem hat der Bundesrat bei der ordentlichen Nachlassstundung Erleichterungen eingebaut.

Die Lösung Nr. 1: Die neue «Covid-19-Stundung»

Der Bundesrat hat eine Covid-19-Stundung von drei Monaten eingeführt, welche einmal um drei Monate verlängert werden kann. Sie steht Privatpersonen nicht zur Verfügung, sondern nur Unternehmungen. Und auch hier nur den KMU!

Die Unternehmungen, die in den Genuss der Covid-19-Stundung kommen wollen, dürfen nicht an der Börse kotiert sein und sie dürfen keine Anleihen ausgegeben haben. Es gibt weitere Hürden:

  • mehr als 10 Millionen Franken Bilanzsumme
  • mehr als 20 Millionen Umsatz
  • mehr als 50 Angestellte

Wer mehr als zwei dieser Bedingungen erfüllt, hat keinen Anspruch auf eine Covid-19-Stundung. Es gibt auch keine Covid-19-Stundung, wenn das KMU schon 2019 überschuldet war.

Die Lösung Nr. 2: Erleichterungen beim Nachlassvertrag

Für die Unternehmungen, die nach der Krise ohne Entgegenkommen der Gläubiger nicht mehr auf einen grünen Zweig kommen, hat der Bundesrat beim gerichtlichen Nachlassvertrag Erleichterungen eingebaut.

Wer die Nachlassstundung beantragt, muss dem Nachlassstundungsgesuch keinen Sanierungsplan beilegen, und die provisorische Stundung wird von zwei auf sechs Monate verlängert.

Das Gericht darf nach der Gesuchseinreichung keinen Konkurs anordnen. Normalerweise könnte es nach Art. 293a SchKG nach Eingang des Nachlassstundungsgesuchs von Amtes wegen den Konkurs eröffnen, wenn «offensichtlich keine Aussicht auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages» besteht.

Wenn die Nachlassstundung definitiv geworden ist, kann das Gericht den Konkurs nur dann anordnen, wenn der Schuldner gegen die Weisungen des Sachwalters oder des Gerichts verstossen hat. Im ordentlichen Recht könnte das Gericht gestützt auf Art. 296b SchKG den Konkurs eröffnen, weil er zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens erforderlich sei oder weil offensichtlich keine Aussicht mehr auf Sanierung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages besteht.

War der Schuldner schon 2019 überschuldet (oder lagen keine Rangrücktritte im Umfang der Verschuldung vor), kann es auch unter dem Notrecht den Konkurs eröffnen.

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