Wenn «20 Minuten» über die Jugendverschuldung schreibt

Dramatisieren und Skandalisieren um jeden Preis!

«20 Minuten» zeichnet seit Jahren eine Karikatur nach der andern, wenn über die Jugendverschuldung berichtet wird: Die Jugend konsumiert zu viel, sie ist überschuldet, so überschuldet, dass sie ins Portemonnaie ihrer Eltern greift... Usw.  Dumm nur, dass die Wissenschaft ein ganz anderes Bild der Jugendverschuldung zeichnet: «Auch wenn die Jungen einen anderen Konsumstil – vor allem bezüglich der Restaurantbesuche und dem Autobesitz – pflegen, erweisen sie sich als ebenso fähig wie die ältere Bevölkerung, ihre finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, und vermögen auch zu sparen.» So lautet die Schlussfolgerung aus einer wissenschaftlichen Untersuchung (hier: Caroline Henchoz / Boris Wernli: Ist die Jugendverschuldung in der Schweiz höher als jene der Erwachsenen?, in: Die Volkswirtschaft 1/2, 2012, S. 53).

Eine Auswahl von Titeln in «20 Minuten» (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

  • Finanzunterricht für Fünfjährige gefordert (13.04.2010): Wegen der immer höheren Verschuldung von Jungen fordern zahlreiche Organisationen rasch wirksame Massnahmen: Schon Kindergärtler sollen Finanzunterricht erhalten. Inhalt: Verschuldete Jugendliche werden ihrer Zukunftsoptionen beraubt, z.B. wenn sie Weiterbildungen nicht bezahlen können...Gezielte Schulung in Finanzfragen sollte im obligatorischen Lehrplan aufgenommen werden. Anlass: Pro Juventute lanciert das Bilderbuch «Potz tuusig!»
  • Primarschüler sollen Nachhilfe erhalten (08.06.2010): Jugendliche sind besonders gefährdet, in die Schuldenfalle zu schlittern: Nun will ein neues Lehrmittel schon Primarschülern den sinnvollen Umgang mit Geld beibringen. Inhalt: Wer als Erwachsener Schulden macht, war häufig schon als Kind verschuldet. Anlass: Pro Juventute lanciert «Kinder-Cash».
  • Iphone & Co. treiben Teenager in Schuldenfalle (30.07.2010) Immer mehr Jugendliche haben Schulden. Der Trend zu mobilem Internet fördert das Leben auf Pump weiter. Experten warnen darum vor den tiefen Verzugszinsen in der Schweiz. Inhalt: Junge Menschen werden stark beworben, die Wirtschaft will vor allem den Konsum fördern. Sie beachtet die Zahlungsfähigkeit der Kunden wenig. Die Eltern haben oft selber finanzielle Probleme und können den Jugendlichen bei finanziellen Schwierigkeiten zu wenig beistehen. Anlass: Die Inkassobüros fordern eine Erhöhung des gesetzlichen Verzugszinses.
  • Leben auf Pump soll ausgetrieben werden (19.04.2011): 25 Prozent aller 16- bis 25-jährigen geben mehr Geld aus, als sie zur Verfügung haben. Nun sollen Jugendliche mit Hilfe der Banken vor der Schuldenfalle gewarnt werden. Inhalt: Die einfache Verfügbarkeit von Krediten führt zur Versuchung, mehr Geld auszugeben als zur Verfügung steht. Anlass: Politiker verlangen ein Werbeverbot für Konsumkredite
  • Jeder zehnte Jugendliche hat Geldprobleme (14.08.2011): Bei vielen Jugendlichen klafft Ende Monat ein dickes Loch im Portemonnaie. Wie eine Umfrage von 20 Minuten Online zeigt, verschulden sich junge Frauen beim Shoppen, den Jungs sitzt das Portemonnaie im Ausgang zu locker.
  • Jugendliche tappen häufig in die Schuldenfalle (12.09.2011): Junge Leute verschulden sich deutlich häufiger als Personen über 25 Jahre. Für Handy und Internet oder im Online-Versandhandel machen sie rund doppelt so oft Schulden wie die übrigen Altersgruppen. Inhalt: Bericht zum Schuldenradar 2011, in dem die Intrum Justitia ihr Wirkungsfeld mit der Gesamtbevölkerung verwechselt.
  • Jetzt kommt das Thema Schulden auf den Tisch (23.09.2011): Während das Parlament Vorstösse gegen die Jugendverschuldung bachab schickt, schlagen Präventionsstellen Alarm. An einem runden Tisch wollen sie neue Forderungen stellen.
  • Bis 25 Jahre gibts nur noch die Kreditkarte light (16.03.2012): Junge unter 25 sollen sich nicht mehr mit Kreditkarten verschulden können. So will es der Nationalrat. Die Karten-Anbieter sind empört, Schuldenberater dagegen unterstützen den Vorstoss.
  • Einmal Schulden, immer Schulden (21.08.2012): Je früher jemand in die Schuldenfalle tappt, desto länger bleibt er darin gefangen. Besonders grosse Schwierigkeiten, ihre Schulden wieder los zu werden, haben dabei Personen zwischen 18 und 25 Jahren.
  • Schönheits-OPs als Schuldenfalle für Mädchen (22.08.2012): Die Jugendverschuldung in der Schweiz nimmt zu. Junge Frauen verschulden sich mit Schönheits-Operationen, junge Männer beim Einkaufen im Internet.
  • Teenies bestehlen Eltern, weil sie Schulden haben (22.05.2013): Weil sie ihre Handyrechnungen oder Online-Einkäufe nicht mehr zahlen können, greifen Jugendliche ins Portemonnaie der Eltern. Diese wenden sich verzweifelt an Beratungsstellen. Inhalt: Konsumfreudigkeit der Jugend, fehlender bewusster Umgang mit Geld, überforderte Eltern. Anlass: Lancierung des für Eltern-Clubs durch die Pro Juventute.

Fazit: Gegen die vielen Organisationen und Medien, welche das Thema «Jugendverschuldung» bewirtschaften (nicht immer aus uneigennützigen Motiven), hat die Wissenschaft einen schweren Stand.

Caterina Costantino und Mario Roncoroni

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